Reisebericht Januar 2022
Um es sogleich vorab mitzuteilen, dieser Bericht wurde über Movistar verschickt.
Ja auch in Argentinien gibt es zwischendurch noch Wunder. Nach 1500 km, 4 Ortschaften, ca. 15 Personen, die sich lobenswert um unsere SIM Karte gekümmert haben, ist es in San Martin de los Andes gelungen die Karte zu aktivieren. Hat zwar in einem Movistar Hauptgeschäft auch fast eine Stunde gedauert, aber wer will schon klagen!
Argentinien steckt in einer Krise, oder besser gesagt; steckt ja schon wieder in einer Krise.
Das Land ist eigentlich bankrott, lebt aber ganz normal weiter. Griechenland oder andere von Schulden geplagte Länder sollten sich wirklich überlegen das argentinische Modell zu übernehmen. Während in Griechenland gestreikt wird, sich die verschiedenen Gruppierungen die Köpfe einschlagen, sitzt der Argentinier weiterhin gemütlich in der Kneippe und trinkt sein Bier.
Inflationsraten von 57% kümmern hier schon lange keinen mehr. Die Strassen sind voll mit Autos, in den Läden wird gekauft und die Restaurants sind gut besucht. Wirtschaftskrise? Bei unseren Gesprächen kein Thema, oder wir sprechen es selber an. „Ja das ist eben Argentinien, ist und war ja schon immer so“ damit ist das Thema erledigt.
Für uns als Reisende ist Argentinien zurzeit sehr, sehr billig zu bereisen. Wechseln wir offiziell bei einer Bank oder bezahlen mit Kreditkarte wird uns ein Kurs von 108 Peso zum Schweizer Franken verrechnet.
Wechseln wir Schweizer Franken über Western Union bekommen wir hier am Schalter einen Kurs von 228,30 Peso. Anders ausgedrückt, wir leben hier zurzeit zu nicht ganz 50% der effektiven Kosten.
Also liebe Politiker nehmt euch ein Beispiel an diesem System, die nächste Feriensaison kommt ja schon bald. Wer in Griechenland oder Spanien, Italien vielleicht ja sogar in Deutschland oder Frankreich Ferien macht und Euros wechselt bekommt die doppelte Ration ausbezahlt.
Offiziell 1 CHF = 0,9545 Euros mit dem Argentinischen Modell 1CHF = 1.909 Euros.
Innert Monaten wären die Länder saniert, Jeder der über einige Schweizer Fränkli verfügt würde in der Eurozone Einkaufen und Ferien verbringen. Jeder Deutsche und Franzose würde sich die Finger schlecken. Keine mühsame Geldwäsche, keine Rentner mehr die an der Grenze mit ihrem Notgroschen erwischt werden, bevor sie es auf einer Bank in Sicherheit bringen konnten.
Sofort würden für Millionen arg gebeutelte Steuerhinterzieher ein legales System eröffnet, die Gerichte entlastet und jeder wäre glücklich.
Gleiches gilt übrigens für den Umweltschutz. Um diesen Gedanken hier erweitert zu erläutern muss ich zuerst etwas dazu erklären. Wir haben wieder die Piedra Parada angesteuert, ein in der Landschaft stehender Stein, etwas grösser als ihn Obelix jeweils herumgetragen hat aber zum verwechseln ähnlich. Zu diesem Stein gibt es eine entsprechende Schlucht, diesbezügliche Bilder habt ihr ja sicher bei Renate im Journal gesehen. In dieser Schlucht nun, diese wird seit Jahren als Kletter-Hot-Spot benützt, gibt es neuerdings eine Archäologische Stelle. Mitten in der Pampa, in einer Schlucht wo ausser einiger irrer, die Kopfüber in einer überhängenden Wand ihre Knochen riskieren und sonst kein normaler Mensch hingeht, hat irgendwer 5000 Jahre alten Müll entdeckt den kein Schwein interessiert. Und schwups, Klettern ist jetzt hier verboten und die Stelle ist zum Nationalen Erbgut Argentiniens erkoren worden. Einige Meter unter der Erde wurden Reste von Töpfen, Pfeilspitzen und andere weggeworfene Gegenstände gefunden. Allgemeine Panik ist ausgebrochen, die Kletterer wurden aus der Wand geholt, ein Schild in den Boden gerammt und alles wieder unter 5 Meter Erde begraben. Es ist schon klar, die Typen die da in der Wand gehangen sind, gefährden den Müll, den niemand sieht und erst noch 5 Meter unter der Erde liegt, dafür archäologisch wertvoll ist.
Dafür stehen jetzt überall Schilder in der Gegend die uns darauf aufmerksam machen wie wertvoll diese Stelle für uns und die nachfolgenden Generationen sind. Und, dass wir all unseren Müll, nicht wie bisher einfach in die Gegend schmeissen sondern, getrennt, bitte wieder mit nach Hause nehmen sollen. Ausser, dass wir jetzt kein Foto der sonst schönen Gegend machen können, ohne mindestens 20 bis 30 Hinweisschilder mit auf dem Bild zu haben, vergessen die ganz, dass wir mit unserem Recycling Wahn in 5’000 Jahren ganze Generationen an Archäologen, Parkwächter, Schilderhersteller und viele mehr arbeitslos machen werden. Denn keiner wird in der Zukunft irgendwo in der Pampa noch etwas ausgraben können und ehrfürchtig vor einer Konservendose, einer weggeworfenen Windel, einem Handy oder einem Kletterhacken stehen und staunend die Beschreibung in der Vitrine lesen, für was diese Gegenstände einmal gedient haben.
Reisen wird definitiv nicht einfacher. Als ich 1976 meine erste Reise unternommen habe, wollte ich damals rund ums Mittelmeer fahren. Wollte, da, was ich damals noch nicht wusste, es gab ja noch kein iOverlander, Maps Me, oder Garmin, irgendwo auf der Strecke kurz hinter der Schweizer Grenze Israel lag und zwischen Algerien und Marokko die Grenze, wie heute übrigens immer noch, geschlossen war oder eben immer noch ist. Kleinere Probleme wie ein fehlendes Visum wurden vor Ort geregelt, wo ein Wille war gab es auch einen Weg. Also das Mittelmeer wurde gegen Indien ausgetauscht, ein alter R4 gekauft, Beifahrersitz raus und Luftmatratze rein und fertig war mein erstes Wohnmobil. Hat auch super funktioniert bis in der Türkei der blöde R4 das linke Hinterrad verlor. Kurzerhand wurde das Rad mit einem Schweissgerät wieder in die notwendige Stellung gebracht, mehr oder weniger. Aber es war klar, mit diesem Fahrzeug war Indien nicht zu erreichen. Also ab nach Afrika.
Probleme wurden nicht durch irgendwelche Behörden verursacht, sondern durch ein verrostetes Chassis.
Heute nun ist dies etwas anders und um uns das Leben nicht einfacher zu machen werden immer wieder neue Hindernisse erfunden. Die Papiere für den Hund habe ich früher selber am Compi mit Photoshop gemacht, dies ist heute wegen QR oder Barcode nicht mehr möglich. War dies früher kostenlos und hat mich eine Stunde Arbeit gekostet, bezahlen wir heute den Tierarzt und die Senasa, rennen mit den Papieren zwischen Tierarzt, Senasa und Pago facil (hier muss die Rechnung der Senasa bezahlt werden) hin und her, weil immer irgendwas nicht richtig aufgeschrieben und notiert wurde. Ist alles erledigt, erhalten wir spätestens am Zoll den nächsten Rüffel, weil die Senasa laut dem Beamten irgendwas nicht richtig ausgefüllt zu haben scheint, wir aber ausnahmsweise trotzdem einreisen dürfen. Inzwischen haben wir einen weiteren Beitrag zum Waldsterben geleistet. Mit Tierarzt, Senasa und Pago facil inklusive der nötigen Quittungen, Belege und Stempel wurden mindestens 2 Bäume vernichtet und zu Papier verarbeitet.
Neu wegen Corona kommt ja jetzt noch der Corona-Test, an der Grenze der PCR Test, das neue Einreiseformular für die Migration, der Nachweis für die Versicherung gegen Corona dazu. Für 2 Personen macht dies locker nochmals 1,5 bis 2 Bäume, pro Grenzübertritt. Wenn ich mir vorstelle wie viele Personen hier täglich über die Grenze gehen ist die Abholzung des Amazonas ein Kinderfurz dagegen. So viel zum Umweltschutz.
Dazu muss noch ein Formular zur Ausreise aus Argentinien ausgefüllt werden und eine Eidesstattliche Erklärung für die Einreise nach Chile mit allen Belegen der Impfungen. Dies geht zurzeit noch, vermutlich wegen Papiermangel, per Internet.
Grenzübertritte müssen also heute gut überlegt und akribisch geplant werden.
Richtig ins Schwitzen komme ich aber jeweils am Schalter der Aduana. Normalerweise gibt es in den meisten Ländern eine 3 Monate gültige temporäre Einfuhrbewilligung für das Auto.
In Argentinien sind dies aber 8 Monate. Wieso? 3 Monate für die Personen, die können wenn nötig nochmals für 3 Monate verlängert werden, macht also 6 Monate. Aber wieso 8 für das Auto? Fragen bringt nichts, es ist eben so, jedenfalls für die meisten, aber eben nicht bei mir. Entweder wollen die mir gar kein Papier ausstellen, oder sie vergessen es bei der Ausreise wieder auszutragen. Was findige Zöllner 3 Jahren, nachdem wir mehrmals wieder in Argentinien ein und ausgereist sind bemerkt haben. „Ich kann sie nicht einreisen lassen, sie sind ja noch gar nicht ausgereist!“ die Bemerkung am Zoll. Es dauert danach jeweils einige Stunden, wo ich beweisen muss, dass ich wohl ausgereist bin, da ich ja jetzt auf der anderen Seite vom Schlagbaum stehe und bitte schön einreisen möchte. „Dies müssen sie beim Zoll abklären, der das Formular nicht ausgetragen hat, wir können hier nichts tun!“ Dies jeweils die Antwort vom Zoll. Ist klar, ich gehe schnell zum Paso Roballo, der liegt ja schlappe 5000 km weiter unten und kläre dies vor Ort, nachdem dies geklärt ist komme ich zurück um richtig legal einreisen zu können. So in etwa stellen die sich dies vor.
Das Meisterstück haben sie sich bei mir ja am Paso Jama geleistet. Dieser Pass mit Zollstation liegt auf etwa 4’000 Meter und ist ca. 800-900 km von jeder grösseren Ortschaft entfernt.
„Wie lange wollen sie in Argentinien bleiben?“ damals die Frage am Zoll. „3 Monate reicht mir,“ meine Antwort. Klar war ich selber schuld und habe das Formular unterschrieben ohne zu kontrollieren. Aber wer rechnet schon damit, dass die freundliche Zöllnerin damals nach der Frage, nur einen einzigen Tag in das Formular schreibt. Nicht einmal mit dem Düsenjäger wäre es mir möglich gewesen diese Frist einzuhalten.
Aduana löst bei mir also jeweils ein etwas flaues Gefühl im Magen aus.
Jetzt hier, wir wollen nach Ushuaia und müssen daher für ca. 227 km durch Chile fahren, kann mir aber nichts passieren. Chile ist zwar für Touristen wegen Corona noch gesperrt, aber für die Fahrt nach Ushuaia wurde ein Korridor errichtet, das Argentinische Feuerland wäre ja von der Welt sonst ganz abgeschnitten.
Wir dürfen Chile durchfahren, bekommen für einen Tag ein Visum, dürfen aber die Strasse nicht verlassen oder Ortschaften aufsuchen. In der Praxis bedeutet dies, wir machen am gleichen Tag, Ausreise Argentinien, Einreise Chile, nach etwas 4 Stunden wieder Ausreise Chile und gleich danach wieder Einreise Argentinien. Bei jedem Zoll stehen wir in der Schlange und machen Migration, Aduana und Senasa. Innerhalb von 227 km und ca. 5 Stunden werden wir 4 mal auf Herz und Nieren überprüft und durchgecheckt. Nicht nur wir als Ausländer, sondern auch die Argentinier oder Chilenen müssen jeweils anstehen und werden gecheckt. Ein administrativer Blödsinn mit entsprechendem Holzbedarf vom feinsten.
Es versteht sich von selbst, dass ich an der ersten Kontrolle der Aduana hängen bleibe.
Ich habe ein Papier für 8 Monate das am 22. 06. 22 ausläuft, Stempel Unterschrift von mir und dem Zöllner in Encarnacion ausgestellt. Das Papier wurde am 10 Dezember 2021 im Computer gelöscht und als ungültig erklärt.
Argentinien überrascht mich immer wieder!
Aus Ushuaia
Bruno
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